Nach den Silvesterkrawallen in Berlin hat die Polizei weitere Informationen zu den Tatverdächtigen veröffentlicht. 145 Personen wurden vorläufig festgenommen, nur 45 von ihnen besaßen die deutsche Staatsangehörigkeit. Alle Böller-Chaoten sind wieder auf freiem Fuß.
Die Nacht auf 1. Januar war in Berlin keine denkwürdige. Dutzende Chaoten warfen mit Böllern um sich, verletzten Beamte, zündeten Gegenstände an, begingen Sachbeschädigung. Dabei wurden 145 Menschen von der Polizei festgenommen. Wie Einsatzkräfte berichteten, handelt es sich überwiegend um Männer aus dem "Migrantenmilieu".
Am Dienstag bestätigte dies ein Polizeisprecher. Es seien insgesamt 18 verschiedene Nationalitäten erfasst worden. 45 der Verdächtigen hätten die deutsche Staatsangehörigkeit. Danach folgten 27 Verdächtige mit afghanischer Nationalität und 21 Syrer. Alle Verdächtigen seien nach Abschluss der polizeilichen Maßnahmen wieder auf freien Fuß gekommen.
Wegen der Krawalle seien insgesamt 355 Straf- und Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet worden. Ermittelt werde unter anderem wegen Landfriedensbruchs, Angriffs auf und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und Rettungskräfte, gefährlicher Körperverletzung und Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion.
Strafen sind zu erwarten
Während die Silvester-Randalierer nun nach Hause zurückkehrten, nimmt die politische Debatte über die Gewalt gegen Polizei und Rettungskräfte weiter Fahrt auf. Um solche Angriffe in Zukunft zu verhindern, brauche es rasch einen Runden Tisch mit Politikern und Praktikern sowie neue Ansätze in der Integrationspolitik, forderte am Dienstag die Gewerkschaft der Polizei (GdP). "Wir brauchen diese Debatte sofort, und wir brauchen Ergebnisse, klare Konzepte und einen Plan, wer was umzusetzen hat", sagte der GdP-Bundesvorsitzende, Jochen Kopelke, am Dienstag. Eine Einsatznacht mit schockierenden Vorfällen wie in der Nacht auf Sonntag dürfe sich zum nächsten Jahreswechsel nicht wiederholen, betonte er, "somit ist der Zeitrahmen gesetzt".
Die Berliner Polizei machte auf Nachfrage am Dienstag keine Angaben dazu, um wen es sich bei den mutmaßlichen Tätern handelt oder wo in der Stadt es zu den meisten Zwischenfällen kam. Die Auswertungen seien im Gange, noch habe man keine weiteren Erkenntnisse, sagte ein Sprecher. Am Sonntag hatte die Polizei nur mitgeteilt, dass unter den ersten 103 Festgenommenen 98 Männer und fünf Frauen waren.
Polizei kann Probleme nicht alleine lösen
In vielen Fällen hätten "gruppendynamische Prozesse, Alkoholmissbrauch, Sozialisationsdefizite und die Verfügbarkeit pyrotechnischer Gegenstände zu dieser bestürzenden Eskalation" geführt, sagte der GdP-Vorsitzende Kopelke. Gleichzeitig warnte er davor, "Menschen pauschal abzustempeln und als verloren zu erklären". Menschen in den betroffenen Stadtteilen müssten die Übergriffe verurteilen und Wege finden, solche Taten in Zukunft zu verhindern. Die Polizei könne hier beraten, lösen könne sie die Probleme jedoch alleine nicht.
Der GdP-Chef forderte: "Die Bundesregierung muss ihrem Koalitionsvertrag gerecht werden und Integrationspolitik auf Bundesebene neu angehen." An dem von ihm vorgeschlagenen Runden Tisch sollten sich neben Politikern und Polizei auch Rettungskräfte, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Sozialarbeiter und Integrationsbeauftragte beteiligen.
»Reicht ein einziger, um ganzes Haus zu terrorisieren«
Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan (SPD) sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe: "Die Gewalttaten und gezielten Attacken gegen Einsatzkräfte sind abscheulich und müssen schnell und konsequent mit der ganzen Härte unseres Rechtsstaats bestraft werden." Sie fügte hinzu: "Wir müssen die Täter anhand ihrer Taten beurteilen, nicht anhand ihrer vermuteten Herkunft, wie dies nun einige tun."
Die Integrationsbeauftragte des Berliner Bezirks Neukölln, Güner Balci, sagte im Deutschlandfunk, in Großstadtvierteln "mit schwierigen sozialen Problemlagen" sei zu beobachten, "dass wir Kinder und Jugendliche haben, die mit häuslicher Gewalt als Alltag aufwachsen". Diese Jugendlichen seien zwar auch in diesen Vierteln nur eine Minderheit, "allerdings reicht ein Einziger, um ein ganzes Haus zu terrorisieren".
Berlin als Extremfall, aber nicht als Ausnahme
"Die Ausschreitungen in Berlin waren extrem. Die Hauptstadt ist damit jedoch keine Ausnahme", sagte der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV), Stefan Hussy. Kräfte der Feuerwehren und Hilfeleistungsorganisationen klagten bereits seit Jahren über zunehmende verbale und körperliche Gewalt bei Einsätzen. Er forderte ein entschlossenes politisches Handeln und sagte: "In der Diskussion um Sicherheitskonzepte darf es keine Denkverbote geben - hierbei ist auch der Umgang mit Böllern zu prüfen."
Der Hamburger FDP-Bürgerschaftsabgeordnete Sami Musa sagte: "Nach Angaben der Sicherheitskräfte handelt es sich bei vielen Angreifern um junge Männer mit Migrationshintergrund." Dies sei auch ein Schock für die große Mehrheit der gut integrierten Migranten in Hamburg. In Teilen der Stadt gebe es Integrationsprobleme. Diese müsse der Senat anpacken, anstatt über Böller-Verbote nachzudenken.
Viel zu lange weggeschaut
Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) hatte am Montag eine bundesweite Debatte über Konsequenzen nach den Angriffen auf Polizei und Feuerwehr in der Silvesternacht gefordert. Giffey wies darauf hin, dass Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) im Januar den Vorsitz der Innenministerkonferenz übernehme und schon zugesagt habe, das Thema dort anzusprechen.
Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Alexander Throm, sieht darin ein Ablenkungsmanöver. Er sagte: "Der Rot-Rot-Grüne Senat in Berlin sollte seine Verantwortung nicht an den Bund abschieben." Falls nötig, könnten die für die Gefahrenabwehr grundsätzlich zuständigen Länder gemeinsam mit den Kommunen auch heute schon Maßnahmen treffen, um lokale Feuerwerks-Verbotszonen einzurichten. Die Ursache für die Eskalation an Silvester in Berlin liege allerdings tiefer. "Wir müssen genau analysieren, wer die Täter sind und woher dieses hohe Maß an Respektlosigkeit gegenüber dem Staat und seinen Polizei- und Rettungskräften kommt", sagte der CDU-Politiker. Das habe auch damit zu tun, dass die Berliner Landesregierung bei kriminalitätsbelasteten Räumen viel zu lange weggeschaut habe.
Obwohl die mutmaßlichen Täter nun wieder auf freiem Fuß sind, bedeutet dies nicht, dass sie straffrei bleiben. Widerstand gegen Vollzugsbeamte oder gar der Angriff auf Polizeibeamte wird mit einer Geldstrafe oder einer Gefängnisstrafe von bis zu drei Jahren bestraft, wie die "Bild" berichtet. Damit inbegriffen sind auch Feuerwehr-, Rettungs- und Notdienste.