Protest im Iran birgt Lebensgefahr. Im Dezember sorgten Hinrichtungen von Demonstranten für Entsetzen - nun wurden wieder zwei Todesurteile vollstreckt. Die Präsidentin des Europaparlaments ruft zu mehr Unterstützung derer auf, die gegen das System auf die Straße gehen.
Im Iran sind zwei weitere Demonstranten hingerichtet worden. Wie die iranische Justizbehörde am Samstag bekanntgab, wurden die beiden Männer Mohammed-Mehdi K. und Sejed-Mohammed H. in den frühen Morgenstunden gehängt. Sie sollen während der systemkritischen Proteste im November für den Tod eines Sicherheitsbeamten verantwortlich gewesen sein, so die Justiz auf ihrem Webportal Mizan. Damit steigt die Zahl der hingerichteten Demonstranten im Zuge der mehr als dreimonatigen systemkritischen Proteste auf vier.
Nach Angaben der Justizbehörde hatten die beiden Männer vor Gericht zugegeben, bei Protesten in Karadsch, einem Vorort der Hauptstadt Teheran, einen angeblich unbewaffneten Sicherheitsbeamten mit einem Messer erstochen zu haben. Der Sicherheitsmann war Mitglied der berüchtigten paramilitärischen Basidsch-Einheit der Revolutionsgarden. Das Gnadengesuch der beiden Angeklagten wurde dem Mizan-Bericht zufolge vom obersten Gerichtshof abgelehnt und das Todesurteil bestätigt.
Hinrichtungen sorgen international für Entsetzen
Im Zuge der landesweiten Proteste waren im Dezember bereits Todesurteile gegen den Rap-Musiker Mohsen S. und Madschid-Resa R. wegen angeblichen Mordes und versuchten Mordes an zwei Basidsch-Mitgliedern vollstreckt worden. Die Hinrichtungen sorgten im In- und Ausland für Entsetzen. Die EU beschloss daraufhin auch wegen der schweren Menschenrechtsverletzungen weitere Sanktionen gegen den Iran.
Die jüngsten Sanktionen haben laut Experten die bereits akute Wirtschaftskrise und die Inflation noch weiter verschärft. Die nationale Währung Rial hat nach den Protesten über 25 Prozent an Wert verloren. Angesichts der Entwicklungen im Land ist kein Ende der Finanzkrise in Sicht. Einige Beobachter befürchten gar einen Wirtschaftskollaps in dem ölreichen Land.
Auslöser der Proteste
Auslöser der landesweiten Proteste im Iran war der Tod der iranischen Kurdin Jina Mahsa Amini Mitte September. Sie starb in Polizeigewahrsam, nachdem sie von der sogenannten Sittenpolizei wegen Verstoßes gegen die islamischen Kleidungsvorschriften festgenommen worden war. Seither gibt es immer wieder Proteste gegen den repressiven Kurs der Regierung und das islamische Herrschaftssystem.
Zwar gibt es mittlerweile weniger Straßendemonstrationen, gegen die der Sicherheitsapparat mit größter Härte vorgeht. Die Existenznöte von Millionen Iranern haben nach Einschätzung von Beobachtern das Potenzial, eine weitere Protestwelle auszulösen. Die Proteste gehen zudem in anderen Formen weiter. Insbesondere in Großstädten weigern sich viele Frauen, das obligatorische Kopftuch zu tragen. Im Dezember öffneten zahlreiche Ladenbesitzer mehrere Tage lang aus Protest ihre Geschäfte nicht.
Unterstützung für die Demonstranten gefordert
Die Präsidentin des Europaparlaments, Roberta Metsola, rief zu einer stärkeren Unterstützung der Demonstranten im Iran auf. Man müsse "aufstehen" und den Frauen und Männern beistehen, die im Iran für Leben und Freiheit auf die Straße gingen, sagte Metsola am Samstag auf der CSU-Landesgruppenklausur im Kloster Seeon in Oberbayern. Das seien Dinge, die man in Europa als gegeben hinnehme. "Aber es ist unsere Aufgabe als Union, diese weltweit immer wieder zu verteidigen, zu unterstützen und einzufordern."
Nach jüngsten Schätzungen der in den USA ansässigen Organisation Human Rights Activists News Agency (HRANA) sind bei den Protesten bereits mehr als 500 Menschen ums Leben gekommen, unter ihnen 70 Minderjährige sowie knapp 70 Polizei- und Sicherheitskräfte. Mehr als 19 000 Demonstranten seien verhaftet worden.
Internetverbindungen werden eingeschränkt
Über die Zahl der zum Tode verurteilten Verhafteten gibt es widersprüchliche Informationen, da bei einigen das Todesurteil in Berufungsgerichten aufgehoben wurde. Die Rede ist von 20 Demonstranten, die auf der Todesliste der Justiz stehen sollen. Die iranische Führung hat diese und ähnliche Angaben bislang weder bestätigt noch dementiert.
Wegen drastischer Einschränkungen des Internets wurde es zuletzt immer schwieriger, Demonstrationen über soziale Medien zu organisieren oder Videos und Fotos darüber zu verbreiten. Für Sonntag haben Organisationen anlässlich des dritten Jahrestags des Abschusses einer ukrainischen Passagiermaschine bei Teheran zu neuen Demonstrationen aufgerufen - deswegen wurde am Samstag der Zugang zum Internet wieder massiv eingeschränkt. Viele Hinterbliebene sind bis heute der Meinung, dass die Verantwortlichen nicht ausreichend zur Rechenschaft gezogen wurden. Der bekannte und in Kanada ansässige Aktivist Hamed Esmaeilion, der bei dem Abschuss seine Familie verlor, rief auch zu internationalen Kundgebungen auf.
Quelle: dpa