Die für die Räumung des von Klimaaktivisten besetzten Örtchens Lützerath zuständige Polizei in Aachen plant den Einsatz für die Dauer von insgesamt vier Wochen. «Die Kräfte kommen aus dem ganzen Bundesgebiet», sagte Einsatzleiter Wilhelm Sauer am Montag in Aachen.
Mit einer Räumung des direkt am Braunkohletagebau Garzweiler gelegenen Weilers sei ab Mittwoch oder an den Folgetagen zu rechnen, sagte der Aachener Polizeipräsident Dirk Weinspach. «Da wir morgen noch eine Informationsveranstaltung für Bürgerinnen und Bürger in Erkelenz durchführen werden, müssen sie ab übermorgen oder den darauffolgenden Tagen mit dem Beginn der Räumung rechnen», sagte er.
In den verlassenen Gebäuden von Lützerath leben seit Monaten Aktivisten, die verhindern wollen, dass der Ort im Rheinland für den Tagebau geräumt und abgebaggert wird.
Szene in Lützerath in Teilen gewaltbereit
In Lützerath gebe es sieben verbarrikadierte Häuser und 27 Baumhäuser, sagte Weinspach. Nach Einschätzung der Polizei halten sich dort derzeit etwa 300 Menschen auf, es finde noch Anreiseverkehr statt. In einem Camp im benachbarten Dorf Keyenberg sind laut Polizei etwa 250 weitere Personen. Die Szene in Lützerath sei in Teilen gewaltbereit, aber dieser Teil sei ein kleiner Teil der Szene. «Überwiegend erleben wir das Protestspektrum dort friedlich», sagte Weinspach. Er hoffe, dass das so bleibt.
Die Grünen warnten vor einer harten Konfrontation. «Ich finde, Deeskalation aller Beteiligten ist jetzt das Gebot der Stunde», sagte die Co-Vorsitzende Ricarda Lang am Rande einer Klausur des Bundesvorstandes der Partei in Berlin. Obwohl der Energiekonzern RWE hier einen Rechtsanspruch habe, sei es in Verhandlungen gelungen, dafür zu sorgen, dass im rheinischen Revier 2030 Schluss sei mit der Kohle und dass mehrere Dörfer, in denen noch Menschen leben, nicht abgebaggert würden, sagte Lang. «Trotzdem habe ich Verständnis für Menschen, die jetzt dort demonstrieren, für Frust und vor allem auch für Druck für mehr Klimaschutz», fügte sie hinzu.
Einsatzleiter warnt vor vielen Unbekannten
Der Energiekonzern RWE will das rheinische Lützerath im Westen von Nordrhein-Westfalen abreißen, um die darunter gelegene Kohle abzubauen. Boden und Häuser des von Ackerbau geprägten Ortes gehören RWE. In den verbliebenen Räumlichkeiten, deren einstige Bewohner weggezogen sind, wohnen nun allerdings Aktivisten, die Widerstand angekündigt haben. Sie sehen für das Abbaggern und Verbrennen der Kohle keine Notwendigkeit.
Einsatzleiter Sauer sprach am Montag von einem umfangreichen Einsatzraum mit vielen Unbekannten. «Wir wissen nicht, was uns darin erwartet», sagte er über die Häuser und großen Scheunen. Man wisse auch nicht, ob Fallen aufgebaut wurden oder ob Dächer erklettert würden. Sperrungen und Blockaden seien reichlich vorhanden. Zu den möglichen Szenarien gehöre auch die Besetzung von 96 Meter hohen Großbaggern im Tagebau. Die Einsatzleitung sei darauf eingestellt.
Bürger treffen Vorbereitungen
Die Polizei werde versuchen, Lagen durch Kommunikation und Gespräche zu lösen. Weinspach sagte, die Polizei habe den Eindruck, dass auch Bürger sich derzeit an Vorbereitungen für eine gewalttätige Eskalation dieses Konflikts beteiligen, indem sie beim Bunkern von Pflastersteinen, dem Zertrümmern von Dachziegeln und dem Anlegen von Depots mitmachten. Das seien Vorbereitungen für eine gewaltsame Eskalation, die keiner wolle, sagte Weinspach.
Hintergrund des bevorstehenden Polizeieinsatzes ist eine Allgemeinverfügung des Kreises Heinsberg zur Räumung des Dorfes. Die Allgemeinverfügung untersage Personen den Aufenthalt vom 23. Dezember 2022 bis zum 13. Februar 2023. Werde diesem Platzverweis keine Folge geleistet, so biete die Verfügung die Grundlage «zur Ergreifung von Räumungsmaßnahmen ab dem 10. Januar», hieß es - also theoretisch auch schon ab Dienstag. Damit ist nach Aussage des Polizeipräsidenten aber noch nicht sofort zu rechnen.
Quelle: dpa