Es ist der heftigste Beschuss seit Jahren: Dutzende Raketen werden aus dem Libanon Richtung Israel abgefeuert. Die Armee macht militante Palästinenser für die Angriffe verantwortlich. Diese haben auch im Nachbarland Einfluss.
Tel Aviv/Beirut (dpa) - Als Reaktion auf den schweren Raketenbeschuss vom Vortag hat Israel in der Nacht zum Freitag Ziele im Libanon sowie im Gazastreifen angegriffen. Die Armee nahm eigenen Angaben zufolge im Nachbarland die "terroristische Infrastruktur" der Hamas zum Ziel. Israels Militär macht die militanten Palästinenser dafür verantwortlich, dass am Donnerstag dutzende Raketen aus dem Nachbarland auf Israel abgefeuert wurden.
Israel habe bei seinen Angriffen ein Feld in der Nähe eines palästinensischen Flüchtlingslagers getroffen, hieß es aus libanesischen Sicherheitskreisen. Informationen über mögliche Opfer gibt es demnach bislang nicht.
Einige Häuser seien bei den Angriffen nahe der Stadt Tyros beschädigt worden, berichteten Augenzeugen der Deutschen Presse-Agentur. Die Explosionen in den frühen Morgenstunden lösten demnach bei Anwohnern Panik aus.
Israels Armee wolle "der Terrororganisation Hamas nicht erlauben, vom Libanon aus zu operieren". Der libanesische Staat trage die Verantwortung für jeglichen Beschuss, der von seinem Gebiet ausgehe, sagte das Militär in einer Erklärung.
"Der Libanon lehnt jede militärische Eskalation, die von seinem Land ausgeht, sowie die Nutzung libanesischen Territoriums zur Durchführung von Operationen, die die bestehende Stabilität gefährden kann, vehement ab", betonte Libanons geschäftsführender Ministerpräsident Nadschib Mikati. Der Libanon ist seit Monaten ohne Präsident und die geschäftsführende Regierung Mikatis nur eingeschränkt handlungsfähig. Das Land leidet zudem auch unter einer schweren Wirtschaftskrise.
Am Donnerstagnachmittag waren laut Israels Armee mindestens 36 Raketen aus dem Libanon auf israelisches Gebiet gefeuert worden - so viele wie seit 2006 nicht mehr.
Die UN-Friedensmission Unifil forderte alle Beteiligten auf, die Angriffe einzustellen. "Beide Seiten haben gesagt, dass sie keinen Krieg wollen", hieß es in einer Erklärung der Organisation.
Die Blauhelme der Unifil überwachen seit 1978 das Grenzgebiet zwischen Israel und dem Libanon. Die beiden Länder befinden sich offiziell im Kriegszustand. Zuletzt war es 2006 zu einem Krieg zwischen beiden Seiten gekommen. An der Grenze kam es auch danach immer wieder zu Spannungen.
Im Libanon leben UN-Schätzungen zufolge mehr als 400 000 palästinensische Flüchtlinge verteilt auf zwölf Camps. Die im Gazastreifen herrschende Hamas hat in den Flüchtlingslagern großen Einfluss. Sie unterhält zudem enge Verbindung mit der im Libanon mächtigen Schiitenmiliz Hisbollah. Die mit dem Iran verbündete Organisation, die in Israel einen Erzfeind sieht, reagierte bislang nicht auf die israelischen Bombardements.
In der Nacht und am Morgen flog Israels Armee auch Angriffe auf den Gazastreifen. Israelische Kampfjets bombardierten laut Armee unter anderem Waffenfabriken sowie Angriffstunnel der islamistischen Hamas. Das Militär geht davon aus, dass die Hamas oder die im Gazastreifen ebenfalls aktive militante Palästinenserorganisation Islamischer Dschihad verantwortlich sind für die Raketenangriffe aus dem Nachbarland.
In einigen israelischen Orten im Süden gab es in der Nacht und am Morgen mehrfach Raketenalarm. Nach Angaben der Armee wurden mehr als 40 Geschosse in der Nacht aus dem Gazastreifen auf Südisrael abgefeuert. Anwohner der Region wurden dazu angehalten, in der Nähe von Luftschutzbunkern zu bleiben.
Der jüngsten Eskalation vorausgegangen waren Zusammenstöße der israelischen Polizei mit Palästinensern auf dem Tempelberg (Al-Haram al-Scharif) in Jerusalem.
Der Tempelberg steht unter muslimischer Verwaltung, während Israel für die Sicherheit zuständig ist. Der Tempelberg mit dem Felsendom und der Al-Aksa-Moschee ist die drittheiligste Stätte im Islam. Er ist jedoch auch Juden heilig, weil dort früher zwei jüdische Tempel standen. Auf dem Gelände um die Moschee kommt es immer wieder zu gewalttätigen Konfrontationen.
Weil dieser Tage Ramadan, das jüdische Pessach-Fest sowie Ostern gleichzeitig stattfinden, zieht es deutlich mehr Gläubige als sonst in die Jerusalemer Altstadt. Am dritten Freitag des muslimischen Fastenmonats Ramadan wurden auch erneut Tausende Muslime für das Freitagsgebet auf dem Tempelberg erwartet.