Politik-Beben in den USA! Der Republikaner Kevin McCarthy erhielt bei der Wahl zum Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses im ersten und im zweiten Anlauf keine Mehrheit.
Bei der Wahl zum Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses hat der Republikaner Kevin McCarthy im ersten Anlauf eine historische Niederlage erlitten. McCarthy verfehlte bei der Abstimmung in der konstituierenden Sitzung der Parlamentskammer am Dienstag die erforderliche Mehrheit für das mächtige Amt in den USA, wie nach dem Votum offiziell im Plenum verkündet wurde. Es ist das erste Mal seit hundert Jahren, dass bei der Wahl mehr als ein Durchgang nötig ist.
Drittmächtigstes Amt im Staat
Nach den Parlamentswahlen im November kam der Kongress am Dienstag erstmals in neuer Konstellation zusammen. Die Republikaner übernahmen die Kontrolle im Repräsentantenhaus - im Senat haben die Demokraten von Präsident Joe Biden weiter eine knappe Mehrheit. Der Start der neuen Legislaturperiode wurde dabei überschattet von dem erbitterten internen Kampf der Republikaner um die Führung im Repräsentantenhaus.
Der Posten des Vorsitzenden in der Kammer, den in den vergangenen Jahren die Demokratin Nancy Pelosi innehatte, steht in der staatlichen Rangfolge der USA an dritter Stelle nach dem Präsidenten und dessen Vize. Üblicherweise ist die Wahl eine Formalie. Doch mehrere Parteikollegen lehnten sich gegen McCarthy auf und verweigerten ihm die Unterstützung. Angesichts einer knappen Mehrheit der Republikaner in der Kammer kam McCarthy so nicht auf die nötige Zahl an Stimmen.
Stillstand, bis Vorsitz geklärt ist
Für McCarthy ist das eine öffentliche Bloßstellung. Es ist hundert Jahre her, dass ein Kandidat bei der Abstimmung zum Vorsitz im Repräsentantenhaus nicht im ersten Wahlgang die nötige Mehrheit erreichte: 1923 waren neun Wahlgänge nötig, um einen Vorsitzenden zu bestimmen. Damals dauerte das Ganze mehrere Tage.
Auch nun verzögert das interne Aufbegehren die Vorgänge empfindlich. Die Wahl des Vorsitzenden ist die erste große Amtshandlung eines neu gewählten Repräsentantenhauses. Und bis der Vorsitz geklärt ist, geht gar nichts: Die Kongresskammer kann nicht ihre Arbeit aufnehmen, nicht mal die neuen Abgeordneten können vereidigt werden.
19 Parteikollegen verweigerten ihre Stimme
McCarthy kam im ersten Durchgang lediglich auf 203 von 434 abgegebenen Stimmen - 218 hätte er gebraucht. 19 Parteikollegen verweigerten ihm die Stimme.
McCarthy hatte sich kurz vor der Sitzung kämpferisch gegeben und gesagt: "Ich halte den Rekord für die längste Rede im Plenum." Er habe kein Problem damit, einen Rekord aufzustellen für die meisten Wahlgänge bei einer Abstimmung zum Vorsitz im Repräsentantenhaus.
Das könnte lange dauern. Jeder Wahlgang ist langwierig, weil alle Abgeordneten einzeln aufgerufen werden, um ihren Wunsch-Kandidaten zu benennen. Auch wenn sich McCarthy am Ende durchsetzen sollte, wird er geschwächt aus dem Gerangel hervorgehen und muss sich in den kommenden Jahren auf einige Schwierigkeiten einstellen bei der Organisation von Mehrheiten in der Kongresskammer.
Rebellion bahnte sich über Wochen an
Die Rebellion gegen ihn kam nicht überraschend, sondern bahnte sich über Wochen an. Fünf Parteikollegen hatten früh öffentlich angekündigt, gegen McCarthy zu stimmen. Später meldeten weitere Republikaner Widerstand an. McCarthy versuchte, hinter den Kulissen interne Kritiker durch allerlei Zugeständnisse zu besänftigen - erfolglos.
McCarthy legte am Dienstag sichtlich verärgert offen, am Montag sei ihm gesagt worden, er werde nur die nötigen Stimmen bekommen, wenn er bestimmte Mitglieder der Fraktion mit bestimmten Ämtern und Etats versorge. Einer seiner Gegner, der republikanische Abgeordnete Matt Gaetz, habe sogar unverblümt gesagt, ihm sei es egal, wenn im Zweifel der Kandidat der Demokraten die Wahl gewinne. Seinen Gegnern gehe es allein um das persönliche Fortkommen, nicht um das Land. "Ich werde immer dafür kämpfen, dass das amerikanische Volk an erster Stelle steht - nicht ein paar einzelne, die etwas für sich selbst durchsetzen wollen", sagte er. Es werde deshalb vielleicht eine "Schlacht" im Plenum der Kammer geben, aber dabei gehe es um die gesamte Fraktion und das Land, "und das ist ok für mich".
1923 waren neun Wahlgänge nötig
Die Republikanische Fraktion im Repräsentantenhaus ist wie die gesamte Partei zerrissen zwischen rechtsgerichteten Anhängern des Ex-Präsidenten Donald Trump und moderateren Parteimitgliedern. Angesichts der nur knappen Mehrheit muss McCarthy die verschiedenen Flügel hinter sich vereinen und selbst Mitglieder vom äußersten Rand seiner Fraktion für sich gewinnen, um Vorsitzender zu werden.
Am Nachmittag (Ortszeit) - nach dem zweiten erfolglosen Wahldurchgang - blieb offen, wie viele Abstimmungen noch notwendig sein werden, um einen neuen Vorsitz für die Parlamentskammer zu wählen. Unklar war auch, ob sich die Wahl über mehrere Tage ziehen wird. Im Jahr 1923 waren neun Wahlgänge nötig, um einen Vorsitzenden zu bestimmen.
Quelle: dpa